«Asterix bei den Schweizern» ist schuld am Chaos in meinen Bücherregalen
In meinen Büchergestellen herrscht Chaos. Und das ist gut so. Verantwortlich für das Durcheinander sind Asterix, Obelix und meine Frau.
Kürzlich zogen wir um. Die ganze Familie. Nachdem die letzte Kiste mit Büchern ausgepackt war, sass ich im neuen Wohnzimmer und betrachtete die Billyregale. Dabei sprangen mir zwei Dinge ins Auge: Erstens hatten wir sämtliche Bücher und auch DVDs sowie Schallplatten mehr oder weniger ohne Plan in die Regale gestopft. Und zweitens hatte «Asterix bei den Schweizern» zufälligerweise einen prominenten Platz erhalten.
Mehr Mut zur Unordnung
Ersteres besprach ich mit meiner Frau. Sollten wir nicht Ordnung ins Chaos bringen und die Bücher nach Themengebiet gliedern? Oder nach Autoren, oder wenigstens nach Grösse oder Farbe oder sonst einem System? «Wozu?», lautete ihre Antwort. Es sei doch gut so, wie es sei. Im ersten Moment überforderte mich diese Nonchalance. Ihre Replik hatte etwas subversiv Bohemes an sich.
«Und was, wenn Besuch kommt?» Ich bohrte nach. Wäre es nicht peinlich, in einem Bücherregal triviale Groschenromane neben Literaturperlen wie Bölls «Ansichten eines Clowns» stehen zu haben? Sollten wir den Schund, den wir auch lesen, nicht besser vor den prüfenden Blicken unserer Gäste verbergen? Und stattdessen mit den Perlen glänzen. Schliesslich wolle man mit einem Bücherregal doch auch zeigen, wie gebildet man sei. Meine Frau zuckte mit den Schultern, ging in die Küche und brühte frischen Kaffee auf.
Wir Schweizer sind so schweizerisch
Einige Tage später. Die ganze Bücherregalsache lässt mir keine Ruhe und ich nehme mir vor, Ordnung ins Chaos zu bringen. Egal, was meine Frau dazu meint. Schliesslich feiern wir diese Weihnachten mit der ganzen Familie bei uns. Da will ich mich nicht mit unsortierter Lektüre blamieren. Nonchalance hin, Subversion her.
Ich bekomme «Asterix bei den Schweizern» zwischen die Finger. Aber statt es bei den Comics einzuordnen, beginne ich darin zu blättern. Und erinnere mich an die süffisante Bemerkung der Verkäuferin damals an der Kasse des Comic-Shops: «Ach, der geheime Klassiker.» Es folgte gegenseitiges, zustimmendes Nicken. Begleitet von einem Schmunzeln. Ich wusste in diesem Moment exakt, was sie meinte und sie erkannte in meinen Augen, dass ich verstand: Selten wurden die Eigenheiten der Schweiz so humorvoll auf den Punkt gebracht.
Der 16. Band der Comic-Reihe «Asterix» wurde von René Goscinny geschrieben und erschien 1970 mit den Zeichnungen von Albert Uderzo in der französischen Zeitschrift «Pilote». Die deutsche Übersetzung kam drei Jahre später auf den Markt.
Die Geschichte führt Asterix und Obelix auf der Suche nach einem Edelweiss in die römische Provinz Helvetien. Schweizer Eigenarten wie das Alphornblasen, unser Bankgeheimnis, das Käsefondue, die Neutralität, Nummernkonten, das Rote Kreuz, unser Sauberkeitsfimmel, Tourismus und Uhren werden darin wunderbar persifliert. Müsste ich eine Lieblingsstelle in diesem Comic wählen, ich könnte es nicht, denn auf eine Lieblingsstelle folgt die nächste.
Als ich mit den 48 Seiten durch bin, muss ich lächeln und stelle den Comic zurück an seinen alten Platz. Bücherregale ordnen, um Gäste zu beeindrucken? Wozu? Eine weitere typisch schweizerische Eigenart, schiesst es mir durch den Kopf. Ich gehe in die Küche und brühe mir einen frischen Kaffee auf.
Chaotisch, chronologisch, alphabetisch; nach Farben, nach Grösse, nach Stimmung; geografisch, autobiografisch, thematisch. Jede:r hat eigene Vorstellungen, wie ein Bücherregal eingeräumt zu sein hat. Wir Redaktor:innen von Galaxus zeigen dir unsere Regale. Als Nächstes: Carolin Teufelberger.
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Ancien journaliste radio devenu fan de story telling. Coureur confirmé, adepte du gravel bike et débutant en haltères de toutes tailles. Quelle sera ma prochaine étape ?